Glasgeometrie: Brillenglas ist nicht gleich Brillenglas
Warum bei der Brillenglasanpassung in einem Fachoptik-Betrieb so viele Einzelschritte zum Tragen kommen? Weil moderne Brillengläser wahre Hightech-Fabrikate sind, die exakt an deine Sehbedürfnisse angepasst werden können. Neben Veredelungen wie der Entspiegelung werden dabei noch zahlreiche andere Aspekte einbezogen. Ein Begriff, der dabei immer wieder auftaucht, ist die Glasgeometrie.
In diesem Beitrag erfährst du
- was moderne Hightech-Brillengläser können,
- wie die Glasgeometrie den Sehkomfort einer Brille beeinflusst und
- alles über die wichtigsten Meilensteine der Brillenglasentwicklung.
Glasgeometrie: Was Hightech-Gläser können
Der Traum eines jeden Optikers seit eh und je: ein Brillenglas ohne jegliche Linsenfehler, das bis zum Rand hin scharf abbildet. Eine Vision, die durch moderne Technik zur Realität wurde. Seit den 2000er-Jahren werden Fertigungsprozesse von Linsen über Computer gesteuert.
- Dadurch können Brillengläser komplett individualisiert werden und bieten minimale Verzerrungen und maximale Abbildungsqualität über die gesamte Fläche hinweg – sprich, auch in den Randbereichen.
Grundsätzlich gehen die Hersteller bei ihrer Berechnung davon aus, dass Brillengläser sich in einem bestimmten Winkel und Abstand zum Auge befinden. Je mehr man von diesen Standardparametern abweicht, desto mehr leidet die Abbildungsqualität. Da unsere Köpfe und Nasen aber unterschiedlich sind, können hochwertige Brillengläser mittlerweile wie ein Maßanzug gefertigt werden.
Was bedeutet, dass bei der Glasherstellung neben der Dioptrienstärke auch Faktoren wie der Abstand zum Auge, die Verkippung der Gläser zueinander sowie die Vorneigung der Brille mit einberechnet werden.
Solche Hightech-Brillengläser bieten
- scharfe Abbildungsqualität bei gleichzeitig geringsten Verzerrungen bis zum Rand,
- was vor allem bei höheren Glasstärken zu einem maximal natürlichen Seherlebnis führt.
- Auch jenen, die Kontaktlinsen gewohnt sind, fällt der Wechsel auf eine Brille mit solchen Gläsern meist deutlich leichter.
Brillengläser und Glasgeometrie: eine Retrospektive
Um zu verdeutlichen, wie viele Entwicklungsschritte bis hin zu modernen Brillengläsern notwendig waren, werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Denn selbstverständlich waren Brillengläser nicht immer so ausgeklügelt, wie wir sie heute kennen.
In den Anfangszeiten der Brillen kamen beispielsweise ausschließlich Bi-Gläser zum Einsatz – sprich, Brillengläser, bei denen sich Vorderfläche und Rückfläche spiegelgleich durchwölbten. Sie konnten kostengünstig hergestellt werden, boten dafür jedoch nur mittig scharfe Sicht. Im Jahr 1804 beschloss der englische Arzt und Naturforscher H. Wollaston, den schlechten Abbildungseigenschaften der Bi-Gläser auf den Grund zu gehen. Er vermutete, dass Ursache dahinter auf den zum Rand der Linsen hin immer größer werdenden Abstand zu den Augen lag.
So entwickelte er Brillengläser, bei denen sich beide Flächen vom Auge wegwölbten – die sogenannte Meniskenform, die sich 1899 etablierte. Die wahre Ursache der schlechten peripheren Abbildung der Bi-Gläser – den sogenannten „Astigmatismus schiefer Bündel“ – entdeckte der französische Augenarzt F. Ostwald 1898.
Punktuell abbildende Brillengläser
Um sich diesen Fehler (d. h. den Astigmatismus schiefer Bündel) vorstellen zu können, muss man etwas ins Detail gehen:
- Ein Punkt wird vom Zentrum einer Linse scharf als Punkt abgebildet.
- Im Randbereich einer Linse erscheint ein Punkt aber als zwei Linien, die in der Tiefe zueinander verschoben sind.
- Die Summe aller abgebildeten Bildpunkte ergibt dann zwei Bildschalen, die sich in der Mitte berühren und sich zum Rand hin immer weiter voneinander entfernen.
Ostwald erkannte auch, dass der Astigmatismus schiefer Bündel durch die Durchbiegung von Vorder- und Rückfläche der Linsen beeinflusst wird. Woraufhin zwischen den Herstellern ein Wettlauf rund um die Berechnung der besten Linsen startete – mit dem Ergebnis, dass 1912 die ersten punktuell abbildenden Brillengläser auf den Markt kamen. Diese galten damals als revolutionär und kommen sogar heute noch teilweise zum Einsatz.
Der nächste große Meilenstein der Brillenglasentwicklung sollte erst viele Jahre später, nämlich in den 80ern, erfolgen: das asphärische Brillenglas war geboren.
Asphärische Brillengläser
Asphärische Brillengläser bringen zahlreiche Vorteile mit sich:
- Sie sind dünn, leicht, verursachen keine starken Verzerrungen und bieten (durch die Korrektion der sphärischen Aberration) auch im Zentrum eine gute Abbildungsqualität.
Ein Brillenglas sollte nach Möglichkeit aber nicht nur Linsenfehler reduzieren, sondern auch „refraktionsrichtig“ sein – d. h., es sollte über die ganze Fläche hinweg die gleiche Wirkung haben. Eine Anforderung, der auch asphärische Brillengläser nicht gänzlich gerecht werden. Weshalb infolge die anfangs erwähnten, individualisierten Brillengläser entwickelt wurden.