Wie entstehen Brillengläser und welche Materialien kommen zum Einsatz?
Das Wichtigste gleich vorweg: Brillenglas ist nicht gleich Brillenglas. Zwischen individuell angepassten und vorgefertigten Gläsern etwa besteht ein riesiger Unterschied – ebenso zwischen den verwendeten Rohmaterialien. Jeder kennt die schnell angefertigte Lesebrille, die sozusagen „to go“ beim Fachoptiker mitgenommen wird. Auf der anderen Seite stehen Brillengläser, die auf jegliches Merkmal des Auges und sogar auf die Gewohnheiten des Trägers präzise abgestimmt sind. Ein weiterer Unterschied ist das Material – wann passt Kunststoff, wann Glas besser? Zeit, etwas Licht ins Dunkel des Brillenglas-Dschungels zu bringen!
In diesem Beitrag erfährst du
- welche Materialen bei Brillengläsern es gibt,
- die Vor- und Nachteile der einzelnen Materialien,
- wann sie wo zum Einsatz kommen und
- wie der Herstellungsprozess eines Brillenglases im Detail abläuft.
Brillengläser: Kunststoff vs. Glas
In den Anfängen der Brillenkultur bestand ein Brillenglas noch aus richtigem Glas. Heutzutage werden Brillengläser entweder aus echtem, mineralischen Glas (Silikat) oder Kunststoffglas (auch als organisches Glas bezeichnet) gefertigt – wobei mittlerweile rund 90% der Brillengläser aus Kunststoff bestehen.
Vor- und Nachteile von Kunststoff-Brillengläsern
Warum Kunststoff Glas in der Brillenproduktion abgelöst hat? Hauptsächlich, weil er leichter und dadurch angenehmer zu tragen ist und außerdem nicht so schnell kaputtgehen kann. Ein wesentlicher Sicherheitsfaktor, sowohl im Alltag als auch in der Freizeit, vor allem bei Kinderbrillen und solchen, die auch beim Sport getragen werden wollen! Denn: In Sachen Bruchsicherheit ist Kunststoff je nach Materialart um bis zu 100-fach sicherer als Glas. Des Weiteren lassen sich Kunststoffgläser einfach mit verschiedensten Tönungen versehen. Der Nachteil gegenüber Mineralgläserrn ist allerdings die kürzere Lebensdauer von Kunststoffgläsern, deren Oberfläche empfindlicher ist und deshalb schneller zerkratzt. Wobei moderne Technologien und spezielle Beschichtungen hier bereits weitgehend Abhilfe schaffen – Special-Features, die aber auch ihren Preis haben! Hier gibt es übrigens nützliche Tipps, mit denen die Brille länger hält.
Vor- und Nachteile von mineralischen Brillengläsern
Mineralgläser wiederum werden heute noch gern aufgrund ihrer Kratzfestigkeit verwendet. Ein weiteres Plus: Selbst bei hohen Stärken können aus Mineralglas verhältnismäßig dünne Gläser gefertigt werden. Grund dafür ist der unterschiedliche Brechungsindex der Glasart – je höher der Brechungsindex, desto dünner das Glas. So werden Mineralgläser bis zu einem Brechungsindex von 1,9 produziert, Kunststoffgläser hingegen bis 1,74. Ein Nachteil ist allerdings: Mineralglas ist schwerer. Und das macht sich beim Tragen der Brille – logischerweise – komforttechnisch bemerkbar. Ein weiteres – noch viel wesentlicheres! – Minus von Mineralgläsern: Sie brechen viel leichter als Kunststoff, was sowohl beim Sport als auch im Straßenverkehr (was etwa bei einem Autounfall, wenn der Airbag auslöst und man eine Brille trägt) ein massives Sicherheitsrisiko fürs Auge darstellt.
Brillengläser: Lager- vs. Rezeptglas
Grundsätzlich erfolgt die Brillenglas-Produktion heutzutage weitgehend automatisiert.
Man unterscheidet sowohl bei mineralischen als auch organischen Gläsern zwischen Lager- oder Rezeptgläsern. Lagergläser sind auf gängige, standardmäßige Stärken, Biegungen, Beschichtungen und Tönungen beschränkt und kommen z. B. bei Lesebrillen zum Einsatz.
Im Gegensatz dazu ist bei Rezeptgläsern so gut wie jede Stärke, auch in minimalen Abstufungen von 0,125 oder 0,1 Dioptrien möglich. Dazu kommt eine breite Auswahl an Merkmalen wie unterschiedlichen Biegungen, Beschichtungen, Tönungen oder Verspiegelungen. Außerdem werden bei Rezeptfertigung die Glasdicke für spätere Bohrlöcher und Rillen mit einberechnet und durch die Berücksichtigung der Fassungsform kann Mitteldicke der Gläser reduziert werden – sprich, die Gläser werden dünner und sind so komfortabler zu tragen.
Brillengläser: Welche Herstellungsverfahren es gibt
Brillengläser aus Kunststoff
Organische Brillenglas-Rohlinge bestehen aus einem speziellen Mix aus Kunststoffen, Härtern, Stabilisatoren und UV-absorbierenden Zusätzen. Sie werden im Gussverfahren hergestellt – die flüssigen Ausgangsmaterialien, so genannte Monomere, werden mit o. g. Zusatzstoffen versehen, darunter auch härtende Substanzen. In beheizten Formen kommt es zum mehrstündigen Prozess der Polymerisation. Durch eine thermische Behandlung (Tempern) werden Spannungen im Glas abgebaut. Das Ergebnis, ein Halbfabrikat (auch Rohling, Puck oder Semi finished blank genannt), wird weiter verarbeitet zu Gläsern mit verschiedensten Dioptrienstärken. Das geschieht in computergesteuerten Hochleistungs-Fräsen. Anschließend wird noch, wieder mit einer Fräse, die Oberfläche geglättet und die Linse poliert.
Oberflächenveredelungen, z. B. Entspiegelungen, die störende Lichtreflexe reduzieren oder Beschichtungen, die vor Kratzern oder Schmutz schützen, werden in einzelnen Schichten auf die Gläser aufgebracht. Dazu kommen die Gläser in ein Hochvakuum-Beschichtungsgerät, wo die einzelnen Beschichtungen aufgedampft werden. Et voilá – fertig ist das organische Brillenglas! Etwaige Tönungen (auch solche für Sonnenbrillen) erhalten die Gläser übrigens in einem Farbbad.
Brillengläser aus Mineralglas
Auch mineralische Brillengläser werden über ein Gussverfahren produziert. Dazu werden im ersten Schritt die Rohstoffe (Quarz, Pottasche, Soda und Oxide) bei rund 1.500 Grad geschmolzen. In einer Presse entstehen dann die Brillenglas-Blöcke, auch Presslinge genannt. Mittels eines Diamantschleifers erhalten die Presslinge ihre Form und den Feinschliff, anschließend werden sie zum Rohling poliert.